Bericht zur Demo: Die Krise heißt Kapitalismus und Patriarchat

Kämpferische Demo zum 8. März

„Frauen! Kämpfen! Frauen! Streiken! Wir nehmen uns was uns gehört!“. Diese und weitere Parolen riefen rund 2.000 Menschen anlässlich unserer Demonstration zum internationalen Frauen*kampftag in der Innenstadt Stuttgarts. Die Stimmung war laut, kämpferisch und selbstbestimmt! Es war die größte Demonstration am Internationalen Frauentag seit vielen Jahrzehnten. Darauf sind wir mächtig stolz.

Vielfältige Beteiligung:
Besonders gefreut hat uns die breite Beteiligung bei der Demonstration. Frauen* jeden Alters, noch in der Ausbildung, im Berufsleben oder schon in Rente brachten sich ein. Frauen* aus verschiedenen Regionen der Welt haben mit Schildern, Fahnen, Redebeiträgen und Transparenten auf Frauen*kämpfe in Polen, der Türkei, Lateinamerika oder Rojava aufmerksam gemacht. Einige Frauen* kamen gemeinsam mit ihren Kolleg*innen zur Demonstration und machten auf die prekären Beschäftigungsverhältnisse klassischer „Frauen*berufe“ aufmerksam. So zum Beispiel Beschäftigte aus der Pflege, dem Sozial- und Erziehungsdienst, der Gastronomie oder dem Einzelhandel. Auch beteiligten sich Mitarbeiter*innen von Frauen*beratungsstellen wie „Frauen helfen Frauen“. Viele Frauen* brachten ihre Kinder mit zur Demonstration und nahmen zum Teil auch die Kinderbetreuung im hinteren Bereich der Demo in Anspruch. Weitere Frauen* hatten selbstgebastelte Schilder dabei. Alle Anwesenden ließen so die vielschichtige Unterdrückung als Frauen* sichtbar werden.

Unser Feminismus ist antikapitalistisch, internationalistisch und antirassistisch!
Drei Redebeiträge in Begleitung kreativer Aktionen griffen die Situation von Frauen* in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen sowie Verschlechterungen im Zuge der Corona-Pandemie und der kapitalistischen Krise.

So schilderte zu Beginn der Demo eine Gesamtbetriebsrätin von H&M: „Flexibel musst du sein. Ja, schnell musst du arbeiten können. Und vor allem Berufsänfänger solltest du sein, also billig und perfekt in das prekäre System passend. Ja sie schreiben das sogar in ihre Verträge ‚Du kannst nicht davon leben‘. Aber immer auf Abruf bereit musst du sein.“

Im weiteren Verlauf der Proteste folgten außerdem noch Redebeiträge von Beschäftigten aus der Pflege, zur Unvereinbarkeit der kapitalistischen Profitlogik mit einer guten Gesundheitsversorgung für alle, sowie von Beschäftigten der Gastronomie zu Sexismus auf der Arbeit und prekären Beschäftigungsbedingungen. Sie alle machten damit greifbar, welchen Einfluss der patriarchale Kapitalismus auf die Arbeitssituation von Frauen* hat.

Internationale Frauen*kämpfe sind wichtige Bezugspunkte für unsere feministische Arbeit hier vor Ort, außerdem kann internationale Solidarität unter Frauen* gegenseitig Anregungen geben und bestärken. Weltweit verbindet uns Frauen*, dass wir aufgrund unseres Geschlechts unterdrückt werden. Polnische, kurdische und türkische Frauen* zeigten auf, welche Kämpfe die Frauen* gerade vor Ort beschäftigen und stellten Bezugspunkte zu unserer Situation hier her. Ein musikalischer Beitrag von lateinamerikanischen Frauen* mit dem Lied „Canción sin miedo“ griff den beeindruckenden Kampf gegen Femizide in Lateinamerika auf.

Auch als Aktionsbündnis 8. März selbst hielten wir einen Redebeitrag, der die Verknüpfung von Patriarchat und Kapitalismus veranschaulichte und dem System, so wie es jetzt ist, eine feministische Kampfansage machte! Auf einen Frauen*streik auch hier in Deutschland!

 

Als Frauen* in Aktion treten!
Die verschiedenen Aktionen auf und am Rande der Demo verliehen unseren Protesten einen selbstbestimmten Charakter. Am Auftakt der Demo gab es ein kurzes Theater zur unbezahlten Reproduktionsarbeit von Frauen* zuhause und die Aufforderung nach einer kollektiven und von allen getragenen Übernahme dieser gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten.

Beschäftigte Frauen* von der Kneipe „Oblomow“, an der die Demo vorbeizog, machten mit Transparenten und Schildern auf sexistische Sprüche und Übergriffe im Nachtleben direkt vor Ort aufmerksam und benannten gleichzeitig Möglichkeiten für Frauen* sich dagegen zu wehren.

Am Gesundheitsministerium kreideten beschäftigte Frauen* aus der Pflege ihre unzumutbaren Arbeitsbedingungen anhand eines Modells an und zeigten auf, dass diese darin begründet sind, dass ihr Beruf als klassischer „Frauen*beruf“ grundsätzlich abgewertet wird.

Am Schillerplatz wurde das Justizministerium mit seiner Mittäterschaft an Femiziden konfrontiert. 150 Schuhpaare, Zettel mit Hintergrundgeschichten und Kerzen machten die im Jahr 2020 150 ermordeten Frauen* durch ihre (Ex-)Partner in Deutschland sichtbar. Sprühschablonen und Plakate zur Erläuterung der Aktion zierten außerdem den Platz. Mindestens 200 Teilnehmende beteiligten sich an dem Aufbau der eindrücklichen Installation.

Zudem wurde mit einer von Frauen* aus der lateinamerikanischen Community Stuttgarts auf den alltäglichen Rassismus, den Frauen* und Migrant*innen in Deutschland erfahren, aufmerksam gemacht. Schon vor den Protesten am 8.März riefen sie Migrantinnen dazu auf, ihre Erfahrungen niederzuschreiben, um diese an der „Ausländerbehörde“ zu plakatieren. Ebenso wurde mit einer Sprühkreide-Aktion in der Nähe des Stuttgarter Landtags der voranschreitende Rechtsruck in Deutschland aufgegriffen. Die Antworten rechter und konservativer Postionen seitens der AfD oder auch der CDU in den Parlamenten werden die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen* sowie von Migrant*innen weiter verschärfen, wenn wir uns nicht dagegen wehren.

Selbstbestimmt feministisch kämpfen – 365 Tage im Jahr!
Unverhältnismäßiger Weise versuchte die Polizei die Demonstration und die Teilnehmenden immer wieder zu schikanieren. So konnten wir unsere Demonstration zunächst nicht wie geplant starten und mehrere Frauen* wurden am Rande der Demonstration kontrolliert und/oder kurzzeitig festgenommen. Der Vorwurf war, sie hätten Sprühkreide benutzt. In einem Fall war eine rassistische Motivation seitens der Polizei nicht von der Hand zu weisen. Von den Versuchen der Polizeibehörden, uns einzuschüchtern und unseren Protest einzuschränken, haben wir uns allerdings nicht zurückhalten lassen und werden es auch in Zukunft nicht tun. Wir halten zusammen und werden unseren Protest auch weiterhin selbstbestimmt gestalten. Am 8. März und darüber hinaus.

Wir sind nach wie vor überwältigt von den gestrigen Eindrücken. Nun gilt es, den 8. März über das gesamte Jahr ausdehnen können. Denn auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und befreites Leben gibt es noch viel zu tun! Wir wollen uns in nächster Zeit Abtreibungsgegnern in den Weg stellen, den öffentlichen Druck zu Femiziden in Stuttgart erhöhen, die Tarifrunde im Einzelhandel feministisch begleiten, dem 1. Mai einen frauen*kämpferischen Ausdruck geben und weiter auf einen Frauen*streik hinarbeiten.

Sei auch du dabei und komm zu unserem offenen Treffen, jeden 1.und 3. Mittwoch im Monat! (Aktuell finden sie online statt, aber sobald es die Pandemie wieder zulässt und es gesundheitlich vertretbar ist, werden wir uns auch wieder im Gewerkschaftshaus treffen oder Hybridtreffen organisieren)

Link zum nächsten Treffen schicken wir euch zu, wenn ihr euch unter folgender Mail meldet:
aktion-frauen[at]riseup.net