Am 8. März waren wir gemeinsam auf der Straße, jetzt gehen wir zusammen vor Gericht. Solidarität ist unsere stärkste Waffe!
Am Montag, dem 15. August versammelten wir uns gemeinsam mit mehr als 50 Menschen vor dem Amtsgericht in Stuttgart. Anlass war der bevorstehende Prozess gegen eine Feministin, die im Zuge des internationalen Frauen*kampftags 2022 in Stuttgart angeklagt war.

Am Internationalen Frauen*kampftag 2022 waren in Stuttgart über 4.000 Menschen unter dem Motto: „Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt. Feministisch streiken gegen Patriarchat und Kapitalismus“ auf der Straße. Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes und die feministische Bewegung haben gemeinsam gestreikt und demonstriert: Für bessere Arbeitsbedingungen im Sozial- und Erziehungsdienst sowie gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt, gegen Rassismus und Krieg, für die Abschaffung des Abtreibungsverbots, für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.
Der Vorwurf, der nun vor Gericht verhandelt wurde: Die Aktivistin soll der Aufforderung zur Personalienfeststellung nicht Folge geleistet haben und bei dem Versuch sich aus dem Griff des Polizeibeamten zu lösen, habe sich dieser den Nacken gezerrt.
Mit der Kundgebung vor dem Prozess haben wir gezeigt, dass wir es nicht einfach hinnehmen, dass unser Kampf für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung durch Polizei, Gericht und die Entscheidungsträger im Rathaus kriminalisiert und delegitimiert werden soll. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir sind solidarisch und stehen zusammen gegen jede Repression und jeden Einschüchterungsversuch! Die gut besuchte Kundgebung war für uns ein erfolgreicher Auftakt für die kommende Solidaritätsarbeit für die von Repression Betroffenen rund um den 8.März. Mit einem Stammtisch am Abend des Prozesstages haben wir einen Raum für Diskussion darüber geschaffen, wie uns gemeinsam mit Repression, ihren Folgen und unserem Umgang damit austauschen konnten.
Gemeinsam kämpfen – 365 Tage im Jahr
Schon vor Beginn der Kundgebung verteilten wir Plakate an die Teilnehmenden, welche diese mit einer Solidaritätsbekundung für die Betroffenen von Represssion nach dem 8. März beschriften konnten. „Weil es alle treffen kann“, hatte an diesem Tag nicht nur eine Teilnehmerin auf ihr Schild geschrieben. Wir halten zusammen – das zeigte auch die darauf folgende Kundgebung, die neben einer politischen Einordnung von uns als Aktionsbündnis aus mehreren Solidaritätsreden bestand. Dabei machten drei Redebeiträge, einer vom DGB-Frauenausschuss, einer von einer Beschäftigten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst und einer von der Partei Die Linke, klar: „Ihr werdet uns nicht zum Schweigen bringen“. Weder das völlig überzogene Polizeiaufgebot am 8. März noch die Kriminalisierung im Nachgang werden uns davon abhalten, auch im nächsten Jahr wieder auf die Straße zu gehen. Denn der 8. März ist unser Tag, an dem uns niemand vorschreibt, was wir zu tun und zu lassen haben.
Was ist eigentlich passiert?
Nach der Demonstration sammelten sich Organisator*innen, Gewerkschafter*innen und Helfer*innen vor dem Gewerkschaftshaus, um letzte Aufräumarbeiten zu erledigen und den Abend ausklingen zu lassen. Dabei sollte, so wie jedes Jahr, der Gustav-Heinemann-Platz vor dem Gewerkschaftshaus in Clara-Zetkin-Platz umbenannt werden. Mehr zu den Hintergründen dieser Aktion und einen ausführlichen Bericht zum 8.März, findet ihr hier.
Die Polizei nahm dies als Anlass für eine Personalienkontrolle. Als sich gegen diese rund 15 Menschen solidarisch zeigten, eskalierten die Beamten, die wie schon den gesamten Tag über mit mehreren Einsatzwägen bereit standen. Es wurde wahllos in die Menschenmasse geschlagen und getreten. Im Verlauf des Abends kam es zu vier Festnahmen.
Der Prozess
Die versuchte Personalienkontrolle beschrieb einer der Zeugen im Prozess als „seinerseits deeskalativ“, während die Frau „hysterisch“ geschrien hätte. Allerdings zeigte sich die Polizei entgegen dieser Schilderung sowohl am Abend vor dem Gewerkschaftshaus, als auch bei der Demonstration alles andere als „deeskalativ“. Der ganze 8.März war mit einem Großaufgebot der Polizei begleitet, welche immer wieder versuchte, sowohl Aktionen rund um die Demonstration als auch diese selbst zu stoppen, mehr dazu hier.

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Einer der Polizeibeamten will die Angeklagte zweifelsfrei an ihrer Stirn- und Augenpartie wiedererkannt haben. Gleichzeitig konnte er keine Aussage dazu machen, ob sie eine Maske getragen hat oder nicht. Die Frage, welche Frisur sie an dem besagten Abend hatte, beantworteten die Zeugen unterschiedlich. Zudem waren lila Socken ausschlaggebend, die der Polizeibeamte aus einiger Entfernung und zudem nachts im Dunkeln wiedererkannt haben, will. Dazu sagen wir: Wir sind alle lila Socken!
Aus den oben genannten Vorgängen wurde schlussendlich eine vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gestrickt. Sexistischen und unstimmigen Aussagen zum Trotz wurde die Angeklagte im Endeffekt zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt.
Solidarität ist unsere stärkste Waffe!
Mit der Strafe über 2.000 Euro lassen wir unsere Genossin nicht alleine, sondern rufen alle auf, sich an den Kosten zu beteiligen. Wir lassen uns nicht spalten. Dass die Strategie von Polizei und Justiz nicht aufgeht, hat uns die große Solidarität von Beschäftigten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst, von Gewerkschaftsmitgliedern, der Partei Die Linke und von Menschen aus der feministischen und linken Bewegung am Prozesstag gezeigt.
In den kommenden Wochen und Monaten wird es noch weitere Prozesse zum 8. März geben, auch diese werden wir solidarisch begleiten, achtet dazu auf weitere Ankündigungen und kommt zu den bevorstehenden Veranstaltungen!
Wir halten zusammen!
Veranstaltung zum Umgang mit Repression gegen die Frauen*bewegung
Donnerstag, 16.9.2022, um 18 Uhr im Linken Zentrum Lilo Hermann